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Chacahua, Chacahua, Chihauhau

Chacahua heisst unser nächstes Reiseziel.

Chacahua 1.0 ist nicht mit Chacahua 2.0 zu verwechseln.

Einen Tag vor der Abreise erfahren wir zufälligerweise davon und bemerken, das falsche Chacahua gebucht zu haben.


Diese Geschichte erinnert mich an mein erstes Telefonat für mein Bewerbungsgespräch mit dem Schulleiter aus Hergiswil. Er weist mich am Schluss darauf hin, am richtigen Ort zu erscheinen. 

Ich reagiere selbstverständlich irritiert, fühle mich verarscht und wundere mich, ob es wirklich Idioten von Lehrpersonen gibt, die sich nicht im Vornherein informieren und den Standort ihres zukünftigen Anstellungsortes nicht kennen. 

Beim anschliessenden Googeln der Adresse merke ich, dass ich mich gerade für das 1.5 Stunden entfernte Bauerndorf Hergiswil am Napf bei Willisau anstelle des zehn Minuten entfernten Dorfes Hergiswil aus Obwalden beworben habe.

Jeder Weg führt irgendwo hin, nicht immer ans Ziel, die schönsten Orte findest du, in welchen du falsch abbiegst. 


Der Weg nach Chacahua scheint jedoch so falsch zu sein, dass wir uns Sorgen um unsere Gesundheit machen. 

Ein kleines Motorboot als Transportmittel rast durch die Lagune und führt uns zu dieser abgelegenen Insel ans Ziel. 

Unsere Fahrt durch den Mangroven-Wald erinnert mich an Didier Plaschy's Fahrt durch den Stangenwald:

Kurvig, hektisch, unkontrolliert, ungestüm, risikofreudig, schnell und kopflos mit Kopf ohne Helm.

Ich habe Angst, Angst um Yeva.

Und Yeva? 

Die Kombination von holpriger, hektischer Fahrt und lautem Motor beruhigt sie total und sie schläft in den Armen von Jenny, wahrscheinlich zum ersten Mal in ihrem zehnmonatigen Leben, SELBSTSTÄNDIG ein. 


Somit wäre das Geschenk für Yeva's ersten Geburtstag geregelt:

Angebot: Ricardo Occasion Kleinboot-Motor

Preis: 200 Franken

Funktion: 

- Ersetzt die Strapazen, Yeva abends zum Schlafen zu bringen. 

- Und vor allem: Ersetzt Jenny's furchtbarer, mit falschen Tönen gespickten Lion-King-Gesang. 

Wie Plaschy verzichten wir bei Yeva ebenfalls auf einen Helm. 

Wir schützen die nun auf dem Bett wild krabbelnde Yeva mit passenderen Methoden. 

Dass Yeva sich dabei wohl eher wie ein Nutztier fühlt, interessiert momentan kein Schwein. 


Wir wollen beim Thema Sicherheit jedoch kein Schwein haben, wollen auf Nummer sicher gehen! 

Einerseits umzingeln wir ihr Bett mit herumstehenden Möbeln und anderen Gegenständen wie ein Zaun, 

damit Yeva in Zukunft nicht prahlt, 

dass sie ständig auf den Boden prallt. 

Anderseits wird sie seit meinem Skorpionstich neuerdings mit einem Moskitonetz, wie in einem Käfig, umhüllt,

damit sich ihr Schlafbereich nicht mit wilden Tieren füllt.


Ah, by the way: Was hat der Bauer mit seinem Schlachtschwein und Jenny in Mexiko mit ihrem Kind zu Bett bringen gemeinsam? 

"Zuerst füttern, 

dann einzäunen, 

dann in den Käfig stecken, 

an einen anderen Ort fahren, 

ihm die Angst nehmen,  

ihm gut zureden, 

schlussendlich mit der eigenen Waffe 'einschlafen' lassen. 

und falls alles wie gewollt vonstatten geht, 

die Aktion mit den Worten 'Schwein gehabt' beenden." 


Zum Skorpionstich: Skorpione sind nachtaktiv. 

Während dem Tag kriechen sie irgendwo hin, um von der Lichteinstrahlung zu flüchten. 

Als ich unter meine Decke springe, spüre ich einen starken Stich in meinem Zehen. 

Geschockt springe ich aus dem Bett und ziehe den Skorpionstachel aus meinem Fuss. 

Und was macht Jenny? 

Sie schützt zuerst einmal Yeva, anstatt mit mir, dem Gottgesandten, wie es Judas mit Jesus tat, das letzte Abendmahl zu feiern und mir anschliessend einen letzten Kuss zu geben, bevor ich in den Himmel aufsteige und euch allen einen weiteren Feiertag schenke. 


So schlimm wirds glücklicherweise nicht. 

Die Nachbarin teilt mir mit, dass Skorpione in Oaxaca oft nicht so giftig sind und nur 30 von 230 Arten tödlich enden können. 

Nun verstehe ich endlich, weshalb der Dreisatz in der Schule von derart immenser Bedeutung ist und die ausgerechneten sieben Prozent und der nachlassende Schmerz mich dermassen beruhigen, dass ich zu faul bin, um auch nur irgendetwas dagegen zu tun. 


Und doch, doch kommt zum ersten Mal der Gedanke hoch, zu heiraten, einfach nur, um Jenny's Wittwenrente zu gewährleisten. 

Wer weiss, vielleicht werde ich hier erneut von einem Skorpion gestochen, 

von einem Krokodil, die es hier geben soll, gefressen, 

von einem Chihauhau gebissen 

oder von Jenny mit den vollen, verschissenen Windeln unserer Tochter erschlagen. 


X-Factor: Ist die Windel-Geschichte wahr oder falsch? 

Sie ist wahr, so etwas Ähnliches hat sich wohl auf einer kleinen Insel in Mexiko während der Nacht des 1. Aprils im Jahre 2022 um circa 1.36 Uhr abgespielt, als ihr Freund anscheinend nicht aufstehen wollte, um auf die gemeinsane Tochter zu wachen. 

Anzeige folgt! 


Wir sind wohl mit unseren Aussetzern die lautesten Menschen hier. Die Insel ist so abgelegen, so ruhig, es hat kaum Menschen und die Menschen, die man antrifft, ob jung oder alt, sind dauerbekifft. 

So viel Langsamkeit und Untauglichkeit an einem Ort habe ich noch nie gesehen, 

kaum Geschäfte, kaum Internet, kaum Restaurants, kaum Arbeitende, kaum Klimaanlagen und kaum Infrastruktur. 


Uns bleibt die Zeit, welche übrigens von den Einheimischen in dieser Zeitzone so nicht akzeptiert und inoffiziell eine Stunde nach vorne verschoben wird. 

Uns bleibt die Zeit zum Surfen, zum Lesen, zum Essen, zum Babysitten, zum Nachdenken, zum uns lieb haben und um nachts mit einem Boot durch die Lagune zu rasen und die Biolumineszenz zu beobachten. 


Schwieriges Wort, schwierige Bedeutung:

Als Biolumineszenz oder Biofluoreszenz wird in der Biologie die Fähigkeit von Lebewesen bezeichnet, selbst oder mit Hilfe von Symbionten Licht zu erzeugen.

Oder nach ismir'schem Gesetz: Meer het blinket.


"Meer blinket, Auge vo Yeva blinzlet", 

nämlich, wenn sie in die Sonne schaut. 

Ich bin so stolz, euch mitteilen zu dürfen, dass Yeva nicht nur von ihrem Vorbild, Jenny, Verhaltensweisen modelliert, sondern manchmal von mir abschaut. 

Denn sie hat, wie ich, die grosse Fähigkeit in die Sonne zu blicken und deswegen zu niessen. 

Ich freue mich so für sie, 

Niessen ist so etwas Schönes, 

etwas Impulsives, 

etwas Reizendes, 

nach dem Stuhlgang wohl der zweitgrösste Höhepunkt des Tages, 

der einzig wahre Orgasmus. 


Auf dem Höhepunkt sollte man stets abtreten. 

Deshalb beende ich meinen Blogeintrag hier. 


Bis nächste Woche! 

Hatschi

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Kommentare: 5
  • #1

    Sherlock (Montag, 11 April 2022 09:05)

    Das letzte Bild ist wohl Zensur à la Tobias?

  • #2

    Tobias (Montag, 11 April 2022 16:19)

    Bravo Sherlock
    Du hast Menschenkenntnisse.

  • #3

    Tobias (Montag, 11 April 2022 23:14)

    Und danke, Fauxpas!

  • #4

    Brigitte (Donnerstag, 14 April 2022 18:02)

    Sankt Tobias dann also am 23.12., fast Tag des Menschenfreundes... Eine Lesefreude, einmal mehr. Applaus! Amen! Hatschi!

  • #5

    Tobias (Freitag, 15 April 2022 20:18)

    Danke für die liebe Nachricht, Brigitte.