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Puerto Escondido - Kampf gegen das Ego

Uh, für einen gemütlichen Flug hätte ich im Voraus wohl viel gezahlt und siehe da, der perfekte Moment - Freundin schläft, Kind schläft und ich bin frei.

Ich liebe meine zwei Frauen irgendwie eben noch mehr, wenn sie schlafen.


Wir schlafen ohnehin früh und viel, denn abends geht hier zu fest die Post für uns ab. 

Scheint als hätten wir, wie irgendwie jede Familie, unser "Aha"-Erlebnis bereits gehabt: 

"Weisst du, haben uns verändert, sind nicht mehr so drauf wie früher und jetzt noch langweiliger..."


Puerto Escondido, la Punta, ist hippig und cool, ein Backpacker-Paradies. 

Aber auch ein Ort voller Drogen. 

Ich wünsche mir manchmal auch eine Droge, die Droge der temporären, totalen Unabhängigkeit. 


Dieses Gefühl, unendlich Zeit nur für sich zu haben, nimmt als Familienvater definitiv ab, als freiheitsliebenden Typen wie mich nicht immer ganz einfach.

Man wird jedoch kreativ, täuscht schon Mal einen Durchfall vor, um schnell ein wenig "durchzulüften". 

"Habt ihr denn kein Ego, Tobias, dass ihr als Familie so viel preisgebt und so aus dem Nähkästchen plaudert?"


Doch, und wie gross ist unser Ego. 

Nur nicht bei Tabuthemen.  

Jeder besitzt ein Ego, auch die unglaublich vielen Surfer-Typen vor Ort. 

Irgendwie passt mir diese Kultur nicht so ganz und sie lebt von totalen Widersprüchen.


"Yoo, mein Name ist Burton, ich lasse meine Haare wild wachsen und trotzdem sitzt jede Strähne perfekt. 

Yoo, ich chill mein Leben total, bin offen für daily Partys, habe einen easy Lifestyle und trotzdem einen verdammten Sixpack! (Insider: Thomas, du erst in drei Monaten) 

Yoo, ich laufe voll relaxed, bin unkompliziert und easy-going, doch das Board muss dann eben doch mit dem exakten Winkel von 72 Grad am Körper getragen werden. 

Yoo, ich stehe voll auf Individualität und sehe trotzdem genau gleich aus wie jeder andere hier. 

Ich werde wohl nicht mehr warm bei diesen Surfern.


Ausser bei Jenny, die auch surft, da werde ich heiss. 

Wenn ich sehe, wie geschmeidig Jenny auf der Welle reitet, bin ich echt fasziniert von ihr und neidisch auf sie, würde gerne SIE sein in diesem Moment. 

Leider ist es unmöglich, eine WELLE zu sein. 


Jenny hat zum Glück kein Surfer-Ego, meint nicht, dass sie die Beste ist, obwohl sie die Beste ist, gäl nur mein Kätzchen, meine Maus, mein Schatz, mi Amor, meine Liebe, mein Engel, meine bessere Hälfte, mein Licht, meine Lampe, äh falsch, meine, Duschlampe... Wääh! 

Ich hasse zwei Sachen in diesem Leben: Kosenamen und Widersprüche

Sie heisst Jenny, punkt, fertig. 

Siehst du wohl auch so, oder Schnuggi?


Aber auch Jenny besitzt ein Ego, ein "Ich vergleiche mich mit dir"-Ego. 

Wie ich. 

"Ha scho dr ganz Morgu ufd Yeva üfgipasst, jetzt chasch mal dü." 

Diese Hol- und  Bringschuld ist toxisch und nicht immer gut für unsere Beziehung, aber Vergleiche geschehen verdammt schnell mit einem Kind. 

Anschliessend räbelts richtig, jedoch nicht lange, denn das "Peace-Maker"-Argument zieht immer:

"Ned so luut vor der Yeva stritte!" 

Und der Frieden ist wieder bei uns, es gibt ein Munzi aufs Brunzi und wir haben uns für einige Sekunden innig lieb, bis es darum geht, wer denn jetzt eigentlich trotzdem die Schicht von Yeva übernimmt... 


Bei mir zeigt sich das Ego in vielen Bereichen. Mein Ego will immer recht haben, was wiederum immer zutrifft. 

Die Story dazu:

Wir lernen zwei Paare kennen und verbringen den Tag mit ihnen im AirBnB und reden über die Welt. Zuerst alle, dann wohl nur mehr ich, von Dialogen mit paar Bieren zu Monologen. 

Betrunken hab ich ja sogar noch mehr recht als recht, da gibt es keine Distanz zur eigenen Meinung mehr. 

Auch die von mir erfundenen und mit Jenny  abgemachten Alarmwörter, Pinguin und Doppelpinguin, die ich von ihr hören will, falls ich zu fest in meinem Element bin, um zu merken, es ist nun genug (Pinguin) oder wirklich, wirklich genug (Doppelpinguin) verfehlen dann ihre Wirkung.

Hmm, zwar, eine lustige Wirkung ist ja irgendwie schon da:

Es findet ein Gespräch unter Menschen statt und eine Lady wirft, für die Anwesenden ohne jeglichen Zusammenhang, ein lautes Doppelpinguin in die Runde.

Wir sind definitiv ein Traumpaar: 

Double-Tubl-Pingu-Jenny und Monologo-Mongo-Tobi


Ein weiteres Kratzen an meinem Ego ist die Einsicht, Yeva's Nummer zwei zu sein. 

Vor allem Yeva am Abend ins Bett zu bringen, geht momentan nur über Jenny. 

Gut, sie ist eine echt tolle Mutter, mit viel mehr Geduld, macht es grossartig und doch, doch gibt es diese Momente, in denen ich manchmal neidisch auf diese zwei runden K.O Pillen bin, die Yeva oft den Rest geben. 

Warum habe ich keine milchgefüllten Brüste, um eine engere Bindung mit Yeva aufzubauen und vor allem, um stolz nackt vor dem Spiegel zu stehen?

Aber nein, ich besitze zwei hässliche Miniatur-Brustwarzen ohne jegliche Funktion.

Klarer Fehler der Evolution! 


Ein weiterer Fehler der Evolution ist die irrationale Angst der Kinder vor ALLEM. 

Ich habe Yeva's Angst bereits angesprochen, doch es wird nochmals absurder. 

Yeva hat Angst vor einem Ballon, vor Puppen, Hunden, Katzen, Spielzeugen, gar vor einem gezeichneten Fisch und einem gezeichneten Rad eines Töffs! 

Stell dir vor, spielst mit deinem Kind Sonntagsmalen, zeichnest ein Rad und dein Kind dreht am Rad...


Ich drehe übrigens auch am Rad, wenn man Sachen zu niedlich ausdrückt.

"Wettsch nu d Windle wäxle?", beginnt Jenny ihre Fragen gerne. 

Liebe Jenny, sorry, wer WILL schon Windeln mit stinkender Kacke wechseln? Ich weiss, dass du der Boss bist, also Imperativ brauchen und fertig: "Wechsle den Scheiss! " 


Wie man sieht, hat Jenny die Hosen an, ich bin jedoch auch ein kleiner Nudist. 

Den Lead übernimmt sie vor allem in administrativen Bereichen, in welchen ich meine Mängel habe.

Sie kümmert sich um Locations, Unterkünfte, Restaurants, etc... 

Dafür bin ich ihr dankbar und sie hatte bis jetzt meistens ein goldenes Händchen. 

Ich schätze mich eher als ein Betriebsandrohungs-Typ ein, der ohne Messer am Hals nichts auf die Reihe bringt, da er an Aufschieberitis leidet und ziemlich faul ist. 

Meine Lieblingsaussage: "Äh, dasch z Problem vom Zuekunfts-Tobi! 

Jenny's Lieblingsaussage: "Äh, mach es gschider sälber, suscht reg mi nor uf."

Meine Lieblingsantwort dazu:"Hani ja vo Afang ah gseit."

Jenny's Lieblingsantwort auf meine Lieblingsantwort: "Taugenichts!" 

Meine Lieblingsantwort auf Jenny's Lieblingsantwort meiner Lieblingsantwort: "Äh, hab d'Frässa." 

Lautes Gelächter und Diskussion beendet. 


Von Anfang an haben wir übrigens gesagt, dass wir es hier in La Punta gemütlich nehmen. 

Wir chillen es einfach Tag für Tag, 

es ist heiss, das Wetter ist gut und der Himmel ist blablablablablablablau. 

 

Bis nächste Woche! 

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Kommentare: 4
  • #1

    Brigitte (Samstag, 02 April 2022 10:23)

    Du wirst noch zu Alceste in Molières Menschenfeind. Die scharfe Klinge der Ehrlichkeit.

  • #2

    ’ OR 1=1 — (Freitag, 08 April 2022 12:30)

    Test

  • #3

    Thomas (Samstag, 09 April 2022 00:18)

    Schluss mit den hohlenVorurteilen und oberflächigen Stereotypen! Der im Text erwähnte Thomas sitz nun mit Roman und Maurus auf dem Balkon und fischt - ausgerüstet mit Fischerraute und einer 20er Note - in der Fussgängerzone. :-)

  • #4

    Tobias (Samstag, 09 April 2022 01:47)

    Haha�